Lyrik eines Landstreichers

Alles was uns im Leben begegnet und inspirierte

Lyrik eines Landstreichers

Beitragvon Peter » 13.11.2010, 03:40

Lyrik eines Landstreichers

Vor rund zwanzig Jahren hielt ich im Ulmer Buchladen Eichhorn einen Vortrag. Zuvor machte ich einen Stadtbummel und schlenderte am Rand des Münsterplatzes an Geschäften entlang. Plötzlich sah ich einen Rucksack und davor einige Hefte und einen Hut liegen. “Lyrik eines Landstreichers” las ich auf der Titelseite, hob ein Heft auf und blätterte darin. Da hatte sich ein Obdachloser alles von der Seele geschrieben, voller intensiver persönlicher Gedanken und Erfahrungen. Ich legte das Heft zurück und als ich weitergehen wollte, sah mich ein Ehepaar enttäuscht an: “Wir dachten Sie sind der Landstreicher!” Ich schüttelte den Kopf und ging in Richtung Fußgängerzone. Auf dem Rückweg sah ich, wie ein grauhaariger älterer Mann den Rucksack schultert und in Richtung Münster geht. Ich eile ihm nach, in einer gewissen Neugierde, und spreche ihn an: “Als ich vorhin Ihre Lyrik las, da wurde ich mit Ihnen verwechselt, da dachten andere Menschen, ich sei der Landstreicher.” Nur kurz dreht er den Kopf und sagt im Laufen. “Das war keine Verwechslung!” Mir bleibt nur die Verblüffung und ein befreiendes Lachen.
Danach denke ich über diese knappe Botschaft nach. Ja er hat Recht, ich streiche durchs Land, halte hier einen Vortrag, gebe Beratungsgespräche, organisiere Veranstaltungen. Doch dann steigt es in mir noch tiefer. Im Grunde sind wir alle Landstreicher. Wir streichen solange wir leben durchs Land. Mit der Geburt tauchen wir ein und mit dem Tod gehen wir zurück. Dazwischen streichen wir übers Land. Zeitweise verwurzeln wir, bis der Wind der Zeit uns weitertreibt.
Selten hat mir ein menschlicher Gedanke soviel gegeben, so klar meine Existenz mir bewußt gemacht und dieser Funke wirkt bis heute in mir weiter.

Peter Burger

Nachtrag:

Monate später sehe ich im Schweizer Fernsehen, daß ein Berner Verlag den Landstreicher sucht, da dieser dessen Lyrik in einem Büchlein verlegt und bereits über sechshundert davon verkauft hat. Ihm stehen die Tantiemen zu. Ich telefoniere mit dem Verleger und teile ihm mein Erlebnis mit. So komme ich nachträglich zu der "Lyrik eines Landstreichers" mit dem Büchlein "Die Harmonie der Welt" (ISBN 3-906786-12-9) erschienen im Berner Lokwort-Verlag. Nun in gebundener Form erkenne ich, daß ich in Ulm nicht ganz wach war. Da habe ich die Tiefe dieser Lyrik nicht erkannt. Nun aber berührt mich diese tief. Jetzt bin ich voll reif dafür und sehe deutlich die Nähe zwischen ihm und mir. Wenn etwas sein soll, dann kommt es zu einem. Entweder direkt oder indirekt im passenden Moment, zum richtigen Zeitpunkt.
Dieser "Landstreicher", ein ehemaliger Schriftsetzer aus der DDR, der alles zurückgelassen hat, nur mit Rucksack und Fahrrad durch Europa radelt, ist für mich ein heute lebender Laotse. Denn seine Lyrik geht tief und beschreibt in einfachen Gedanken das unfassbare.
Mir wird bewußt, daß zu Erleuchtung nichts mehr gehört, als zu sein und sich selbst total zu leben. Das eigene ICH BIN zu erkennen, zu akzeptieren und zu lieben. Und dann ganz authentisch zu sein, an dem Platz, wo das Leben mich hinstellt.


Übrigens:
Der Schweizer Verleger hatte noch mehr Anrufe von Menschen, welchen der Landstreicher begegnete und die diesen kurzzeitig bei sich aufgenommen hatten. Alle haben von ihm etwas besonders bekommen, was danach deren Bewusstsein oder Leben veränderte.

Ausschnitte aus "Lyrik eines Landstreichers":

Dein Wahrnehmen ist gefilterte Welt
Dein Denken ist gefilterte Wahrnehmung
Dein Streben ist gefiltertes Denken -
Was ist es, das Du da greifst?


Entsteht in Deiner Mitte das Gefühl von Mangel
Bewirkt es an Deinen Rändern Ergreifen
Die Augen suchen reizvolle Bilder
Die Ohren reizvollen Klang
Der Gaumen reizvollen Geschmack
In Deinem Denken entstehen reizvolle Vorstellungen.
Bleibst Du in der Mitte
Erfüllt sie sich selbst.


Des kreisenden Vogels Spähen gilt nur der Beute
Des Rehes Lauschen gilt nur der Gefahr
Des Hundes Schnüffeln gilt nur den Reizen
Deiner Gedanken Umherlaufen gilt nur der Befriedigung.

In Deinem Widerstreben spannt sich die Welt
In Deinem Streben erhebt sich die Welt
In Deinem Wirken verwandelt sich die Welt
In Deinem Sterben entspannt sich die Welt

In Spannung und Entspannung erklingt
Die Harmonie der Welt.


"Die Harmonie der Welt" (ISBN 3-906786-12-9)
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Re: Lyrik eines Landstreichers

Beitragvon Peter » 13.11.2010, 03:40

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Re: Lyrik eines Landstreichers

Beitragvon Peter » 13.11.2010, 03:41

LAOTSE UNTER UNS

Auf der spirituellen Suche nach Erleuchtung suchen viele Menschen einen Meister, ihren Meister. In der Vorstellung, daß dies eine besondere Erscheinung sein muß, rennen viele "halberleuchteten Blendern" nach, die sich gut darzustellen verstehen. Die stillen wahren Meister werden dabei meist übersehen. Vorallem hier im Westen, wo das Erkennen solcher Qualitäten nicht so geschult ist, als im Osten, in der buddhistischen oder der hinduitischen Tradition. Daher bleiben viele wahre Meister des Westens verborgen, werden selten bekannt und nur von wenigen erkannt.
Im Osho-Tarot gibt es dazu eine schöne Geschichte:
Als der große Sufu-Mystiker Hassan im Sterben lag, fragte ihn jemand: "Hassan, wer war Dein Meister?" Er antwortete: "Ich hatte Tausende von Meistern. Wenn ich auch nur ihre Namen nennen wollte, würde es Monate dauern, und dazu bleibt nun keine Zeit mehr. Aber von dreien meiner Meister will ich euch gerne erzählen.
Einer von ihnen war ein Dieb. Einmal verirrte ich mich in der Wüste, und als ich schließlich ein Dorf erreichte, war es schon sehr spät, alle Türen waren schon versperrt. Aber schließlich fand ich doch einen Mann, der gerade versuchte, ein Loch in die Wand eines Hauses zu schlagen. Ich fragte ihn, wo ich übernachten könnte, und er sagte: "Zu dieser Nachtzeit wird dies schwierig, aber du kannst bei mir bleiben - wenn du bei einem Dieb wohnen willst." Und der Mann war so wunderbar - ich blieb einen Monat lang bei ihm! Und jeden Abend sagte er zu mir: "Ich gehe jetzt zur Arbeit. Ruhe dich nur aus, bete du nur." Wenn er zurückkam, fragte ich ihn: "Hast du etwas erreichen können?" Er pflegte dann zu antworten: "Heute nicht, aber morgen werde ich es wieder versuchen, so Gott will ...". ER war nie ohne Hoffnung, er war immer vergnügt.
Als ich schon viele Jahre lang meditiert und meditiert hatte, uns nichts geschah, und ich viele Male so verzweifelt war, so ohne Hoffnung, daß ich mich mit dem Gedanken trug, alles hinzuwerfen, da erinnerte ich mich plötzlich an jeden Dieb, der jeden Abend sagte: "So Gott will, wird es mir morgen glücken."
Mein zweiter Meister war ein Hund. Als ich mich einmal durstig auf den Weg zum Fluß machte, kam ein Hund daher. Auch er war durstig. Er schaute in den Fluß und erblickte im Wasser einen anderen Hund - sein eigenes Spiegelbild - und bekam Angst. Er fing an zu bellen und lief davon, aber sein Durst war so enorm, daß er zurückkam. Schließlich sprang er trotz seiner Angst ins Wasser, und das Spiegelbild verschwand. Da wußte ich, daß Gott mir auf diese Weise eine Botschaft hat zukommen lassen: Trotz aller Ängste muß man springen.
Und der dritte Meister war ein kleines Kind. Ich kam einst in eine Stadt und sah ein kleines Kind, das eine brennende Kerze trug. Es war auf dem Weg zur Moschee, um die Kerze dort aufzustellen.
Auß Spaß fragte ich den Jungen: "Hast du die Kerze selbst angezündet?" Er antwortete: "Ja, Herr." Und ich fragte weiter: "Vorher war die Kerze nicht angezündet, und dann brannte sie plötzlich - kannst du mir die Quelle zeigen, woher das Licht kam?" Und der Junge lachte, blies die Kerze aus und sagte: "Jetzt hast du gesehen, wie das Licht gegangen ist. Wohin ist es gegangen? Sag es mir!"
Mein Ego war erschüttert, mein gesamtes Wissen war erschüttert. Und in diesem Augenblick fühlte ich meine eigene Dummheit. Seitdem ließ ich all meine Gelehrsamkeit fahren ..."
Es ist wahr, daß ich keinen Meister hatte. Das bedeutet aber nicht, daß ich kein Jünger war - ich betrachtete die ganze Schöpfung als meinen Meister. Meine Jüngerschaft ging sehr viel tiefer als die eure. Ich vertraute den Wolken, den Bäumen ... Ich vertraute der gesamten Existenz. Ich hatte deshalb keinen Meister, weil ich Millionen von Meistern hatte - ich lernte von jeder erdenklichen Quelle.

Diese schöne Geschichte steht für mein eigenes Leben, den auch ich lerne aus dem Leben, von vielen Menschen, Tieren, Blumen, Bäumen und anderen Begegnungen. In der wachen täglichen Reflektion meiner Umwelt erhalte ich meine Botschaften. Spirituelle Meister begegnen mir in Büchern und einige auch persönlich. Alle haben mir etwas mitgegeben und waren für den Moment der Begegnung für mich sehr wichtig. Aber bei keinem hatte ich das Gefühl länger verweilen zu müssen. Jeder war für eine gewisse Zeit wichtig und richtig.
Die besonderen Erlebnisse hatte ich mit Obdachlosen, mit Zirkusleuten, mit Tieren und Bäumen. Einige solcher persönlicher Geschichten will ich hier mitteilen und zum genauer hinschauen anregen.

- siehe z.B. Lyrik eines Landstreichers -
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